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Communiqué

 

Was ist der Carnaval des Rues?

Heute Nacht, am 12.9. auf den 13.9.2020 sollten die Strassen und Quartiere von Bern Zeug*in eines unvergesslichen Anlasses werden . Ein lautes Fest, eine hörbare Stimme für Veränderung in schweizer Städten. Wir haben die Stadtenwicklung und ihre diskriminierende Verdrängung satt. Gemeinsam sollte der Kreativität und der Träumerei freien lauf gelassen werden. Der Carnaval des Rues will uns allen zeigen, dass es auch anders geht!

Doch die Polizei als Marionetten eines unterdrückerischen Systems empfand unseren geplanten Carnaval als Bedrohung und stoppte den Umzug bereits kurz nach dem Start.

Musik und Kunst, Farbe und Lärm, hätten die Strassen erhellt, um ein erneutes Mal dem Thema Stadtentwicklung Raum zu ermöglichen. Spass machen für die Menschen die dabei sind, Gedanken ins Rollen bringen bei allen Beteiligten. Vor allem aber dem Wunsch nach urbaner Umgestaltung eine öffentliche Plattform bieten. Das Kollektiv hinter der Organisation des CdR setzt sich aus Menschen aus verschiedensten Städten zusammen. Bern ist daher auch eher zufällig gewählter Schauplatz des Geschehens. Symbolisch für viele andere Städte, die mit gleichen oder ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Eine einheitliche politische Ausrichtung gibt es in diesem interstädtischen Vernetzungskollektiv nicht. So divers die Probleme und Themen des urbanen Raumes sind, so unterschiedlich die Menschen des Kollektivs, die davon betroffen sind. Sei es der Konsumzwang, die Gentrifizierung von Quartieren, die leerstehenden Häuser, die steigenden Mieten, das Racial Profiling oder die Kommerzialisierung von öffentichem Raum, Gründe gibt es genug um unzufrieden zu sein.
Das Kollektiv wünscht sich dabei vor allem Eines: Nämlich eine Veränderung der Maximen, nach denen Städte sich entwickeln.
Weg von Verdrängung, Kommerzialisierung und menschenfeindlicher Aufwertung, hin zu einer solidarischen und selbstbestimmten kreativen Idee des Zusammenlebens.

Die Entwicklung dieser Gesellschaft lässt uns keine Ruhe mehr. Wir mussten ausbrechen aus der Lethargie, der Gleichgültigkeit. Genug davon, wie unser Leben immer mehr von Kommerz, Konsum, Arbeit, Vereinzelung und Überwachung dominiert wird. Wir möchten, dass sich die Welt in eine andere Richtung dreht.
Wir glauben nicht daran, dass die existierenden Systeme wie Neoliberalismus, Nationalstaaten oder Grenzen eine Lösung für all die Probleme bieten können mit denen wir konfrontiert sind. Wir denken sie sind die direkte Ursache dieser Probleme!

Wie sich unsere Städte entwickeln ist ein offensichtlicher Auswuchs davon, wie der Kapitalismus sich immer neue Geldquellen krallt und unser Zuhause verschlingt.
Die Innenstädte werden immer exklusiver. Dort wo Menschen wohnen könnten, reihen sich Konsumtempel an Konsumtempel. Der Boden ist so teuer geworden, dass ihn sich nur eine kleine, meist weisse Oberschicht überhaupt noch leisten kann.

Die Folge der Aufwertung des städtischen Bodens ist, dass die meisten Menschen sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten können. Es bedeutet, dass der Grossteil des Lebens statt für soziale Kontakte und Aufgaben, für träumerische Gedanken und für politische Veränderung der Arbeit zum Opfer fallen. Das, was dennoch absolut notwendig ist, die Haus- und Care-Arbeit, bleibt meistens an FLINT*-Personen hängen und führt dort zu einer enormen Mehrbelastung.
Die miese Entlohnung für sowieso schon schlechter gestellte Menschen und der erschwerte Zugang zu sozialen Leistungen und Teilhabe, machen den Teufelskreis perfekt.

Wer bestimmt, wo wir wohnen dürfen?
Wer bestimmt, wie wir leben dürfen?

Der Carnaval des Rues steht ein für eine anderen Welt. Unser Leben gehört uns. Wir sind überzeugt, dass ein anderes Leben möglich ist.
Viele von uns haben Projekten kennengelernt oder in ihnen gelebt, die direkte Solidarität lebbar gemacht haben, die nachhaltige Lebensmittelproduktion, gegenseitige Hilfe oder Wissensaustausch über Wettbewerbstreiben und Missgunst stellen. Wo Wände so angemalt und Wohnräume so gebaut werden, wie die Menschen, die sie bewohnen es möchten. Räume, die versuchen Diskriminierung zu verunmöglichen.

Der Carnaval des Rues fand heute nicht in geplanter Form statt. Doch dies ist nicht das Ende. Die Welten, Galaxien, Träume und Pläne wurden eröffnet. Der Carnaval des Rues kommt wieder!
Als nächstes nehmen wir uns die Milchstrasse!

Unser Leben gehört uns!

 

Was ist mit Corona?

Der Carnaval des Rues findet während der Covid19-Pandemie statt. Dadurch dass der Carnaval des Rues im Freien stattfindet wurde das Risiko für annehmbar empfunden. Dennoch soll darauf hingewiesen werden, zu deinem eigenen und vor Allem zum Schutz Anderer, eine Maske zu tragen, deine Hände regelmässig zu waschen oder zu desinfizieren und dem Anlass fernzubleiben, falls du Fieber- oder andere Krankheitssymptome hast.

*FLINT*: Frauen-Lesben-Inter-Nonbinär-Trans*

Awareness:

Hilf uns mit, den Carnaval des Rues zu einem Raum zu machen, wo sich alle Teilnehmenden möglichst wohl und sicher fühlen können. Der Carnaval toleriert keine Diskriminierung, egal welcher Art!

Hilf mit, Menschen zu schützen, die stärker von Repression oder Gewalt betroffen sind als du.

Falls du rassistische, sexistische oder andere diskriminierende Vorfälle beobachtest, toleriere diese nicht. Melde dich am Awareness-Infopoint oder bei einem anderen Wagen. Frage die betroffene Person, was sie braucht und hilf ihr, das zu ermöglichen.

Antirep Informationen

Antirep Nummer 077 414 99 60

  • Lass dich nicht auf Diskussionen mit der Polizei ein und lass dich nicht verunsichern.
  • Unterschreibe nichts (weder die Verhörprotokolle, noch andere Dokumente).
  • Du musst der Polizei deine Personalien angeben: Name, Vorname, Meldeadresse, Heimatort, Geburtsdatum, sonst nichts.
  • Du hast das Recht jegliche Aussage und Mitwirkung zu verweigern.

Was wäre wenn..

Du läufst die Strasse entlang, die du jeden Tag entlang läufst. Da das neue Café, in welches du nie gehen würdest. Dort der Coop, indem du dir manchmal einen Zvieri und ein Süssgetränk holst, um wieder zu etwas Energie zu sammeln. Du zählst die Schritte von der einen Strassenecke bis zur nächsten, du möchtest dich ablenken, die Aufforderungen übersehen, die von den Plakatwänden herunterschreien, dich vom Arbeitsalltag trennen, dem Wirrwarr deiner Gedanken Klarheit verschaffen. Die Stimmen im Kopf kommen dir manchmal fremd vor. Sind das deine eigenen Gedanken? Oder spielt das übehaupt eine Rolle?
Jeden Tag dasselbe. Jeden Tag aufstehen, Kaffee trinken, Schuhe binden. Die grauen Strassen, die immer gleichen Fassaden, die sich ständig verändern.

Sogar die Veränderung bleibt gleich.

Doch heute ist irgendetwas anders. Du weisst noch nicht genau, was deine Aufmerksamkeit gefangen hat. Ein Geruch? Ein Geräusch? Du biegst um die Ecke und plötzlich fangen die Menschen immer schneller ans Ende der Strasse zu laufen. Was geschieht dort? Dich packt eine ungekannte Nervosität, ein Schimmer von Hoffnung ergreift dein Herz und, deine Blutgefässe verengen sich und dein Herz spürst du in deiner Kehle. Hoffnung?
Auf was?

Du hast keine Antwort, du möchtest es gar nicht wissen.
Doch da ist die Ungewissheit auf einmal völlig klar.

Da gibt es noch mehr.

Mehr zwischen diesen Strassen.
Mehr zwischen diesen Synapsen.
Mehr zwischen diesen Zeilen.

Was du bis jetzt gekannt hast, das ist nicht die einzige Realität. Welten eröffnen sich vor deinem inneren Auge. Die Häuser um dich verbiegen sich in ungeahnte Winkel, der Boden unter dir hebt dich empor und du erblickst am Ende der Strasse auf einmal helle Lichter. Die Lichter bewegen sich, sie blenden dich – formen eine Gestalt aus hunderten Gestalten, wie ein Glücksdrache, mit Schuppen aus kleinen Zwerggalaxien. Der Drache wächst und wächst und lacht dich von weitem her an – «Ich sehe dich».

Die Schönheit des Anblickes überwältigt dich, dir schiessen heisse Tränen in die Augen. Du hast vergessen, wie man weint, doch das macht nichts, deine Seele weint für dich.

Du spürst die Hoffnung, einen Raum gefunden zu haben, wo du dich hin wünschst.
Eine Idee, wo du sein kannst was du sein möchtest. Nicht, was du zu sein hast.
Da gibt es noch mehr.

Du lässt dich treiben, vom Wind, von den Menschen um dich, die das selbe spüren. Jemand nimmt dich an der Hand und ihr springt hoch und die Zwerggalaxien verschlingen euch.

Wilkommen im Carnaval de Rues
Du bist Zuhause